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  • AutorenbildWolfgang Gründinger

Dunkelflaute: Was tun, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht?

Aktualisiert: 26. Feb.


Erneuerbare Energien sind volatil: Wenn im Winter die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, spricht man von der berühmten “Dunkelflaute”. Doch das Problem ist weniger gravierend, als es scheint. Denn: Lösungen stehen längst parat.


Im Sommer liefern Solaranlagen bereits jetzt enorm viel Strom - so viel, dass an der Strombörse regelmäßig die Preise abstürzen. Der meiste Strom wird außerdem um die Mittagszeit produziert, also genau zur mittäglichen Nachfragespitze (“Peak”), was den Solarstrom extra wertvoll macht.


Im Winter liefert Solar zwar weniger Strom. Allerdings: Sonne und Wind zusammengenommen insgesamt erzeugen in den kälteren Jahreszeiten unterm Strich mehr Strom als im Sommer! Das zeigen die Daten wie in dieser Grafik:




Das heißt: Ja, im den kühleren Monaten gibt es weniger Sonnenstunden, damit auch weniger Solarstrom.


Aber: Es weht dann auch mehr Wind, der die fehlenden Sonnenstunden mehr als ausgleicht. Scheint weniger Sonne, dann weht mehr Wind, und umgekehrt. Das sieht man in dieser Grafik des Deutschen Wetterdienstes (DWD):



Quelle: DWD


Dunkelflaute seltener als oft angenommen


Dennoch kann es weiterhin zu Situationen kommen, in denen beide Energiequellen zeitweise ausfallen. Wie oft eine solche “Dunkelflaute” vorkommt, hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) in einer europaweiten Studie aus dem Jahr 2018 analysiert. Das Ergebnis: Nur 2 Mal im Jahr sinken Wind (onshore und offshore) und Sonne gleichzeitig für mindestens 48 Stunden unter eine bestimmte Produktionsschwelle.


Nimmt man den ganzen europäischen Stromverbund, ist das sogar nur 0,2 Mal pro Jahr der Fall. Irgendwo ist in Europa immer Sonne oder Wind, und der grenzüberschreitende Stromaustausch ist längst Normalität. Mit dem 2021 fertiggestellten NordLink-Seekabel steht zudem eine Verbindung zu den riesigen Stausee-Stromspeichern in Norwegen bereit.


„Unser Ergebnis ist eindeutig: Durch den kombinierten Einsatz von Windkraft an Land und auf See, Photovoltaik und einen europäischen Stromverbund können die Risiken durch Windflauten und sonnenscheinarme Phasen deutlich reduziert werden“, sagt Dr. Paul Becker, Vizepräsident beim Deutschen Wetterdienst.



Quelle: DWD


Trotzdem muss die Speicherkapazität weiter drastisch erhöht werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die deutsche Kapazität an Pumpspeicherkraftwerken reicht derzeit rechnerisch gerade mal, um eine halbe Stunde des momentanen Strombedarfs zu decken. Das ist wenig, und kann mangels geeigneter geographischer Lagen kaum noch erhöht werden.



Mehr Wind und Solar - weniger Ausgleichsreserven: das "Balancierungsparadoxon"


Menschen äußern oft die Sorge, dass Wind- und Solarenergie den Bedarf an kurzfristiger Ausgleichsleistung erhöhen und damit die Ausgleichsreserven z.B. an Kohle- oder Gaskraftwerken (und somit die Kosten) erhöhen.


Was daran richtig ist: Alles andere gleich bleibend, bedeutet mehr Wind und Solar mehr Bedarf an Ausgleichsleistungen.


Doch die Geschichte erzählt etwas anderes. In den letzten 15 Jahren hat Deutschland die Wind- und Solarleistung um das Fünffache erhöht. Die Ausgleichsreserven haben sich aber zugleich nicht etwa erhöht - sondern um 50 % verringert!


Das ist das, was der Energiewirtschafts-Professor Lion Hirth das "Deutsche Balancierungsparadoxon" nennt.


Die Gründe: Stärke internationale Zusammenarbeit der Übertragungsnetzbetreiber, aber auch bessere Vorhersagen und Handel.


Das ist es, worum es beim Ausgleichs(preis) geht. Lion Hirt sagt: Hier steckt eine größere Lektion drin: "alles andere gleich bleibend" anzunehmen, wenn man die Zukunft einschätzt, ist möglicherweise nicht immer klug.





Sektorkopplung & intelligente Lastverschiebung


Eine Lösung ist die sogenannte Sektorkopplung, verbunden mit intelligenten Netzen (“Smart Grid”) und Lastenverschiebung (“Demand-Side Management”).


Sektorkopplung heißt: Die bisher getrennten Bereiche Strom, Wärme und Treibstoffe verschmelzen. Strom wird künftig auch für die Wärmeerzeugung mittels Heizstäben und Wärmepumpen genutzt, ebenso wie für das Laden von Elektroautos.


Eine mittelgroße Autobatterie, z.B. der VW ID3 in mittlerer Ausstattung, hat eine Kapazität von 62 Kilowattstunden - das ist so viel, wie eine Familie im Eigenheim in 6-7 Tagen an Strom verbraucht (nämlich ca. 8-10 Kilowattstunden pro Tag). Für das Jahr 2030 strebt die Bundesregierung 15 Millionen E-Autos an, und erfahrungsgemäß stehen private Autos 23 Stunden am Tag ungenutzt herum. Das birgt also gewaltiges Potenzial für die Nutzung der E-Autos als mobile Speicher, intelligent vernetzt und gesteuert über ein smartes Energiemanagement.


Das Berliner Greentech-Unternehmen Enpal konnte demonstrieren, dass ein konventioneller Heim-Batteriespeicher und ein E-Autos so geladen werden können, dass die Bedarfsspitzen am Morgen und am Abend geglättet werden. Dazu werden die Heimbatterie und das Auto nachts mit Netzstrom geladen, wenn viel Windstrom zur Verfügung steht, aber die Nachfrage gering ist. Allein dadurch kann der Bedarf an gasbetriebenen Spitzenlast-Kraftwerken für die Stromversorgung teilnehmender Haushalte um 80% sinken, und die Strompreise an der Börse werden für alle gedämpft.


Quelle: Enpal


Die Nutzung von Strom für Heizung und Warmwasser bietet eine zweite gewaltige Chance für intelligente Lastenverschiebung: Ist gerade wenig Strom im Netz, wird etwas weniger geheizt; ist überschüssiger Strom im Netz, wird etwas mehr geheizt. Für den einzelnen Endverbraucher ist der Unterschied kaum wahrnehmbar, aber in der Masse kann die Nachfrage so flexibel auf das Stromangebot reagieren. Genau so funktioniert das heute schon z.B. mit industriellen Kühlhäusern: Die Kühlung wird etwas runtergeregelt, wenn Strom knapp ist, und andersherum. Dank Sektorkopplung und intelligenter Vernetzung können nun auch die Potenziale in privaten Haushalten erschlossen werden.


Saisonale Speicherung dank Power-to-Gas


Eine weitere Lösung ist die Speicherung mit “Power-to-Gas”, also die Umwandlung von Solar- und Windstrom in Wasserstoff oder Methan, um damit die Gasspeicher füllen. Wird Strom wieder benötigt, wird aus dem Gas wieder Strom erzeugt.


Da in Zukunft kein fossiles Gas mehr genutzt wird (aus geopolitischen Gründen wie Klimaschutz gleichermaßen), sind diese Speicher frei. Damit können auch saisonale Lücken überbrückt werden. Zeiträume von mehreren Wochen bis Monaten sind damit kein Problem.


Die Umwandlung bringt aber auch Effizienzverluste mit sich: Strom muss in Gas umgewandelt und dann wieder rückverstromt werden. Bei beiden Umwandlungen geht Nutzenergie verloren. Daher ergibt Power-to-Gas erst dann Sinn, wenn die Möglichkeiten der Sektorkopplung oder die Zwischenspeicherung in Batterien ausgeschöpft sind. Ansonsten wäre es zu ineffizient und teuer.


Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht die Zukunft daher so:


Quelle: BDI (2021)




100% Erneuerbare Energie sind machbar


Längst wissen wir, dass ein regeneratives Energiesystem machbar ist: „New research increasingly shows that 100% renewable energy systems are not only feasible but also cost effective". Die Technologie ist da.


Leider verschleppen und verhindern aber manche Akteure bewusst den Einstieg in Erneuerbare Energien - um dann später mit großer Inbrunst zu klagen, es stehe nicht genug Wind und Sonne zur Verfügung, um Kohle, Atom und Gas zu ersetzen.


Wir haben genug Wind, Sonne, Bioenergie, Wasserkraft und Speicher - aber das alles kommt nicht von selbst. Wer aus fossiler Energie aussteigt, der muss in erneuerbare Energie einsteigen. Die Blockierer und Bedenkenträger der Energiewende sollten sich fragen, ob sie weiter an der Vergangenheit hängen oder Teil der Zukunft sein wollen.





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