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AutorenbildWolfgang Gründinger

Die Wahrheit über Robert Habeck

Aktualisiert: 30. Juli


Robert Habeck

Foto Credits: Dominik Butzmann

“Welches konkrete politische Projekt von Robert Habeck kritisiert ihr? Bitte schreibt es mir konkret und spezifisch, ich will es genau wissen!” - So lautete mein Aufruf auf Twitter, und es kam einiges an Kritik zusammen. Ich habe mir die Mühe gemacht, genauer hinzuschauen.



Übereilter Atomausstieg: Vorwurf an Habeck EHER FALSCH


Die häufigste Kritik galt dem Atomausstieg. Es gibt durchaus gute Argumente für den Weiterbetrieb bereits laufender Atomkraftwerke, zumal in einer Strompreiskrise. Dennoch gibt es in der Sache einiges richtigzustellen, was die Rolle Habecks betrifft. 


Viele Kritiker auf Twitter behaupteten, Habeck habe die letzten 6 Atomkraftwerke abgeschaltet. Tatsächlich gingen seit Antritt der Ampel-Koalition aber lediglich 3 Atomkraftwerke vom Netz.


Ein weiterer Vorwurf: Habeck habe die Öffentlichkeit getäuscht, was die Prüfung des Weiterbetriebs angehe. Das Magazin Cicero hatte hier interne Akten des Bundeswirtschaftsministeriums ausgewertet und kam zu dem Schluss, Habeck habe entgegen den Empfehlungen der Fachebene einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke abgelehnt. Allerdings hatte das Magazin Dinge dazuerfunden - wie inzwischen auch gerichtlich bestätigt ist


Die Atombetreiber RWE, E.ON sowie das E.ON-Tochterunternehmen PreussenElektra äußerten sich 2022 ablehnend gegenüber dem Weiterbetrieb, da die Anschaffung neuer Brennelemente lange dauern würde und umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen erfolgen müssten, die allein wegen der vereinbarten Abschaltung ausgesetzt worden waren:


Ein ununterbrochener Weiterbetrieb der am 31.12.2022 außer Betrieb gehenden Anlagen ist nicht mehr möglich, ein späterer Weiterbetrieb würde mit erheblichen Anstrengungen verbunden sein und darauf angepasster Sicherheitsanforderungen bedürfen.— Markus Krebber, CEO, RWE


Die Anlagen verfügen über keine frischen Brennelemente mehr. Eine Beschaffung, Herstellung und atomrechtliche Freigabe zur Herstellung eines funktionsfähigen Reaktorkerns beträgt etwa 1,5- 2 Jahre.— Markus Krebber, CEO, RWE


Wir brauchen Brennstoff; ... bestehende Kerne zu Ende gefahren; Bestellung von Brennelementen dauert normalerweise 18 Monate plus ... Wir hätten erhebliche finanziellen Aufwand zu erwarten/kompensieren — Leonhard Birnbaum, CEO, E.on


Der in Deutschland beschlossene Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie wurde ja schon 2010 gesetzlich verankert. Daher bereiten wir uns schon seit Jahren sowohl technisch als auch organisatorisch auf die Stilllegung unserer Anlagen vor. Dies hat zur Folge, dass wir nicht mehr über Brennelemente verfügen, die wir für einen Weiterbetrieb von Isar 2 bräuchten.— PreussenElektra


Eine umfassende Aufarbeitung der Akten zeigt also ein komplexes Bild. Im Grunde waren es aber gerade die Atombetreiber selbst, die sich gegen eine Verlängerung stellten. Technisch wäre diese sicherlich möglich gewesen, allerdings nur mit einer längeren Unterbrechung für die Beschaffung neuer Brennelemente und für Sicherheitsüberprüfungen - und vor allem mit sehr hohem (finanziellem) Aufwand für den Steuerzahler.


Im Übrigen deckten investigative Journalisten auf: Bei der Laufzeitverlängerung 2010 durch die Regierung Merkel wurde das verantwortliche Fachreferat im zuständigen Bundesministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit nicht einmal gefragt. Schwer also, nun Robert Habeck anzugreifen, der sich durchaus Vermerke von seinem Fachreferat geben ließ.


Es gibt durchaus gute Argumente für den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken. Aber so einfach, wie es oft dargestellt wird, war es nicht. Auch die Effekte auf den Strompreis waren eher marginal (dazu gleich mehr). Auch eine Täuschung, wie es das Magazin Cicero vorwirft, kann man nicht erkennen. Man kann in der Sache anderer Ansicht sein, aber der Kern der Kritik geht eben an der Sache vorbei. Daher das Fazit: EHER FALSCH.



Brief von Eon an das BMWK



Mehr Kohlestrom: FALSCH


Oft wurde auf Twitter behauptet, es gebe nun mehr Kohleverstromung. (Bei dieser Kritik handelt es sich nicht um ein konkretes Gesetz von Habeck, aber ich nehme den Kritikpunkt dennoch auf.)


Der Kohlestromanteil ist aber nicht gestiegen, sondern auf ein historisches Tief gesunken. Der Vorwurf ist also falsch. Man könnte einwenden, dass mit dem Weiterbetrieb der drei AKW die Kohleverstromung noch weiter gefallen wäre; aber auch so ist sie auf einem historisch niedrigen Niveau.


Daher das Fazit: eindeutig und nachweislich FALSCH.

Entwicklung Stromerzeugung aus Kohle


Mehr Stromimporte: RICHTIG, aber IRREFÜHREND


Viele Kritiker bemängeln den Anstieg der Stromimporte.


Und wirklich: Die Stromimporte stiegen deutlich an. Der Grund ist aber nicht Robert Habeck - sondern: Erneuerbare und Atomkraft aus den nordischen Ländern und Frankreich sind günstiger als Kohle aus Deutschland. Zwar verfügt Deutschland über ausreichend eigene Stromerzeugungskapazitäten und wäre nicht auf Importe angewiesen. Die günstigen Erneuerbaren im Ausland machen den Stromhandel jedoch billiger. 


Das wirtschaftsnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schreibt: “Die gestiegenen Stromimporte sind daher kein Grund zur Sorge. Stattdessen sollten wir das günstige Stromangebot aus den europäischen Partnerländern begrüßen und die nötigen Leitungskapazitäten weiter ausbauen.”


Die Stromimporte machen netto 2% des deutschen Strombedarfs aus. Von den Importen sind 22% aus Atomkraft. Also: weniger als 0,5% des deutschen Strombedarfs stammen aus Atomkraft.


Also: Die Kritik ist zwar an sich RICHTIG, aber IRREFÜHREND - da der gestiegene Importanteil einfach günstig und erneuerbar ist, und keine Folge eines Gesetzes, sondern ein normaler Marktmechanismus.



Hohe Strompreise: FALSCH


Eine sehr häufige Kritik entzündete sich an hohen Strompreisen.


Natürlich stimmt, dass die Strompreise infolge des russischen Angriffskriegs extrem stiegen. Das liegt daran, dass Deutschland Gas vornehmlich aus Russland bezog, und die Versorgungssicherheit nun infrage stand (zurecht, da Putin später die Lieferung von Gas einstellte). Zudem waren die Gasspeicher leer, als die Ampel-Koalition antrat. Die Strompreise richten sich an der Börse nach dem jeweils teuersten Kraftwerk, das ans Netz gehen muss, um die Nachfrage zu decken (sogenanntes Merit-Order-Prinzip). Dies sind Gaskraftwerke, und da Gas nun erheblich teurer wurde, hatte das auch einen enormen Effekt auf den Strompreis. Die Bundesregierung musste handeln und erließ eine Strompreisbremse.


Die hohen Strompreise waren somit keine Folge falscher Politik von Habeck oder der Ampel, sondern eine Reaktion des Marktes auf den russischen Angriffskrieg.


Am 29. Juni 2024 kostete eine Kilowattstunde Strom für einen Privathaushalt nur 25,74 Cent - so viel wie 2021. Das gilt für Neuverträge. Altverträge können erheblich teurer sein, wenn sie während der Gaskrise abgeschlossen wurden. Ähnliches gilt für die Industriestrompreise: Sie sind wieder auf das Niveau vor der Gaskrise zurückgekehrt.




Man kann natürlich einwenden, dass ein Teil des Rückgangs daran liegt, dass die Förderung erneuerbarer Energien (sogenannte EEG-Vergütung) nicht mehr durch eine Umlage auf den Strompreis erfolgt, sondern seit 2023 aus dem Bundeshaushalt finanziert wird. Dies lässt allerdings außer acht, dass die Umlage zuletzt nur 3,72 Cent betrug. (Zum Verständnis der EEG-Umlage sei auch auf den Abschnitt "Förderparadoxon" in diesem Artikel verwiesen.) Selbst mit 4-6 Cent Aufschlag wären die Strompreise für Endkunden nicht bis kaum höher als bei Amtsantritt. Grund sind die seit Ende der Gaspreiskrise (und der französischen Atomkrise) stark gefallenen Börsenstrompreise.



Grafik: IWR




Streit um das “Heizungsgesetz”: EHER FALSCH


Sehr emotional wird auch das sogenannte “Heizungsgesetz”, genauer gesagt: das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG), diskutiert. 


Das GEG wurde bereits 2020 von der CDU/CSU/SPD-Regierung unter Angela Merkel beschlossen. Habeck wollte es reformieren, um den Anteil der Wärmepumpen zu erhöhen. Der erste Entwurf - ein sogenannter Referentenentwurf - drang bereits vor Absprachen innerhalb der Regierung nach außen und löste eine kontroverse Debatte aus. Opposition und diverse Medien kritisierten den Entwurf sehr harsch. Die Folge war ein kommunikatives Desaster, einhergehend mit einem Einbruch des Wärmepumpen-Markts.


Hier hätte Habeck tatsächlich von Anfang an besser kommunizieren müssen. Allerdings hatte er den Leak ja nicht zu verantworten - und erst recht nicht die bizarre, faktenferne Kritik mancher politischer Gegnern. Zudem war der Referentenentwurf eben auch nicht mehr als genau das: ein erster Aufschlag, um innerhalb der Koalition erst einmal eine Linie zu finden - und kein fertiger Gesetzesentwurf.


Fest steht jedenfalls, dass der Anteil an Wärmepumpen schnell stark steigen muss, um die Klimaziele zu erfüllen und die Abhängigkeit von Gas zu reduzieren. Hierfür ist die finale Fassung des Gesetzes ein sicher nicht perfekter, aber doch wichtiger Baustein. (Falls den verehrten Leser schon die simple Tatsache zur Weißglut treibt, dass wir mehr Wärmepumpen in Deutschland brauchen, der möge bitte ein WELT-Abo abschließen und diesen Text von Robin Alexander lesen.)


Daher das Fazit: EHER FALSCH



Bürokratisches Lieferkettengesetz: FALSCH


Eine weitere Kritik an Robert Habeck betrifft das Lieferkettengesetz, das Unternehmen ab einer bestimmten Größe zu Berichtspflichten über die Lieferkette ihrer Produkte verpflichtet.


Tatsächlich bringt das Lieferkettengesetz hohen bürokratischen Aufwand für die Wirtschaft mit sich, während der tatsächliche Effekt für Mensch und Umwelt fraglich ist. 


Allerdings: Habeck hat damit gar nichts zu tun. Das Lieferkettengesetz wurde 2021 beschlossen unter der Merkel-geführten Bundesregierung und lag in der Zuständigkeit von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU).


Man kann das Lieferkettengesetz gern in der Sache kritisieren. Aber Habeck hat damit nichts zu tun. Daher die Wahrheit über Robert Habeck: Der Vorwurf ist eindeutig FALSCH.


Hohe Insolvenzen: EHER FALSCH


Häufig wird Habeck auch ein Anstieg der Insolvenzen angelastet. Die Kritiker bleiben allerdings meist eine konkrete Erklärung schuldig, welches konkrete Gesetz dafür ausschlaggebend sein soll.


Tatsächlich stimmt, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt. Allerdings ist zu betonen, dass es sich dabei lediglich um eine Normalisierung der Zahl nach dem Auslaufen der Covid-Subventionen handelt. Wird nicht nur ein kleiner Ausschnitt bemüht, sondern eine längere Zeitreihe, ist der vermeintlich steile Anstieg nicht mehr erkennbar.


Daher die Wahrheit über Robert Habeck: Dieser Vorwurf ist EHER FALSCH.

Entwicklung der Insolvenzen




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