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Der Batterie Boom: Eine stille Revolution

  • Autorenbild: Wolfgang Gründinger
    Wolfgang Gründinger
  • vor 20 Stunden
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 8 Stunden


Drei Jahre. So kurz ist der Zeitraum zwischen den beiden Grafiken aus der New York Times zur Stromerzeugung in Kalifornien, die wir unten abgebildet haben. Diese beiden Grafiken illustrieren den Beginn einer leisen Revolution: den stillen Speicher-Boom. 


Kalifornien versorgt sich tagsüber größtenteils aus Solarenergie. Abends, wenn die Sonne untergeht, mussten im April 2021 noch Gaskraftwerke übernehmen. Doch im April 2024 sieht man: Speicherbatterien springen ein – und ersetzen fossile Kraftwerke. Noch nicht vollständig, aber bereits zu erstaunlich großen Teilen. Zur Zeit des Peaks, also der Nachfragespitze, stammt inzwischen fast ein Drittel der gesamten Elektrizität aus Batterien. 


Diese Speicher rechnen sich am Markt. Tagsüber laden sie mit günstigem Solarstrom voll, abends geben sie den Strom wieder ab – genau dann, wenn der Bedarf auf den Höchststand klettert und der Strom dringend gebraucht wird.  



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Mit “grüner” Politik hat das wenig zu tun. Mit dem Siegeszug von Sonne, Wind und Speichern ist Kalifornien keine Ausnahme. Ausgerechnet das erzkonservative Texas, die Hochburg der Republikaner, hat Kalifornien beim Ausbau der Erneuerbaren sogar weit überholt. Auch dort versteht man: Strommärkte sind eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft, nicht der Ideologie. 


Batteriespeicher funktionieren. Heute schon. Sie werden ständig besser, günstiger, leistungsfähiger. Das beweisen die USA. 


Unbemerkt von der breiteren Öffentlichkeit fand ein Speicher-Boom statt. Die Kapazität dezentraler Speicherbatterien in deutschen Eigenheimen hat sich in nur vier Jahren fast verzehnfacht: von 1,9 Gigawattstunden im Mai 2021 auf 16,6 Gigawattstunden im Mai 2025. Damit ließen sich rund 16 Millionen Familien für einen Tag lang komplett versorgen. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. 


Fast alle diese Speicher sind allerdings auf den Eigenverbrauch der Haushalte optimiert. Das Netz hat davon wenig. Das hat zwei Gründe. Erstens: Die Speicher laden nur auf, wenn die Sonne scheint und die eigene Solaranlage Strom produziert. Die Folge: Die Speicher liegen nachts und im Winter brach. Zweitens: Die Speicher entladen nicht ins Netz. Sie versorgen nur das eigene Haus. Start-ups wie Enpal haben dieses Problem bereits gelöst und vernetzen Solaranlagen und Speicher intelligent mit dem Strommarkt. 

 

Rekord auch bei Großbatterien 


Nicht nur kleine Heimspeicher erklimmen neue Höchststände. Auch bei den Großbatterien stehen 226 Gigawatt Leistung Schlange zur Genehmigung bei den Netzbetreibern.  


Dies entspricht mehr als dem Hundertfachen der derzeit insgesamt bestehenden Speicherleistung: Der Technischen Hochschule Aachen (RWTH) zufolge sind derzeit Großspeicher mit gerade 2 Gigawatt Leistung verbaut (mit einer Kapazität von 2,7 Gigawattstunden). So viel, dass die Netze an ihre Grenzen stoßen, die riesigen Speicher überhaupt zu verdauen. 


Selbst wenn von diesem beantragten Zubau am Ende nur ein Teil wirklich realisiert werden sollte, läuft der Siegeszug der Batteriespeicher spektakulär. Und keiner bekommt es mit – die Revolution kommt auf leisen Pfoten daher. 

 

Großbatterien der nächsten Generation 


Die größte Batterie der Welt entsteht derzeit in der Schweiz: Das Unternehmen Flexbase plant in der Nähe von Basel den Bau einer Batterie mit 1,6 Gigawattstunden Kapazität.  


Die Technologie dafür nennt sich Redox-Flow. Sie funktioniert mit flüssigen Elektrolyten, die in großen Tanks zirkulieren, und nicht mit festen Materialien wie bei gebräuchlichen bei Lithium-Ionen-Akkus. Die neue Technologie ermöglicht tausende Ladezyklen bei minimalem Kapazitätsverlust und verzichtet dabei vollständig auf kritische Rohstoffe wie Lithium, Nickel oder Kobalt.  


China plant bereits eine neue Dimension: Dort stehen Redox-Flow-Batterien mit einer Kapazität von bis zu 35 Gigawattstunden vor der Genehmigung. Zur Einordnung: Weniger als 40 solcher Megabatterien reichen rechnerisch aus, um Deutschland für einen ganzen Tag mit Strom zu versorgen. 

 

Bidirektionales Laden: E-Autos als Giga-Batterie 


E-Autos sind Batterien auf Rädern. Eine mittelgroße Autobatterie, z.B. der VW ID3 in mittlerer Ausstattung, hat eine Kapazität von netto 77 Kilowattstunden. Das ist so viel, wie eine vierköpfige Familie im Eigenheim in sieben Tagen an Strom verbraucht (nämlich ca. 10 Kilowattstunden pro Tag). Für das Jahr 2030 strebt die Bundesregierung 15 Millionen E-Autos an, die Autobranche rechnet mit 9 Millionen. Heute sind es gerade 1,4 Millionen.  


Stimmen die Vorhersagen der Autobranche, dann ergibt sich schon in Kürze eine potenzielle Speicherkapazität von rund 700 Gigawattstunden. Um das in Relation zu setzen: Das entspricht etwa der Hälfte des Stromverbrauchs von ganz Deutschland an einem Tag. 

Erfahrungsgemäß stehen private Autos 23 Stunden am Tag ungenutzt herum. Das birgt also gewaltiges Potenzial für die Nutzung der E-Autos als mobile Speicher, intelligent vernetzt und gesteuert über ein smartes Energiemanagement. Eine dezentrale Giga-Batterie. 


Wenn Sonne und Wind mehr Strom erzeugen, als gebraucht wird, nehmen die Autobatterien schon heute den überschüssigen Strom auf. Was noch nicht funktioniert: das bidirektionale Laden – also das Entladen der Autobatterie ins Stromnetz. Einige Hürden stehen dem flächendeckenden Einsatz noch im Weg: das verkopfte deutsche Eichrecht zum Beispiel, aber vor allem auch träge Autohersteller und nicht kompatible Ladesäulen. Aber sobald wir Millionen E-Autos als Puffer nutzen können, haben wir eine dezentrale Giga-Batterie. Und fossile Kraftwerke werden überflüssig. 

 

Wir brauchen eine Speicher-Strategie 


Sonne und Wind brauchen einen Puffer. Gaskraftwerke sollen die Lücke füllen, so plant es die Bundesregierung. Doch der Speicher-Boom reduziert den Bedarf an fossilen Ersatzkraftwerken. 15 Gigawatt Batterien können 9 Gigawatt Gaskraftwerke ersetzen, errechnete eine Studie der Wirtschaftsberatung Frontier Economics


Die neue Bundesregierung wird daher vor allem eine Aufgabe haben: die Speicher-Strategie neu aufsetzen und die Flexibilisierung des Stromnetzes weiter vorantreiben.

 

Dazu gehört es, Bürokratie abzubauen, Hindernisse zu deregulieren, smarte Stromzähler in die Masse zu bringen, Anreize für die Vernetzung der Kleinspeicher zu setzen, die Einführung bidirektionalen Ladens voranzubringen. Dann wird sich unsere Stromversorgung schnell verändern - und keiner wird es mitbekommen, bis dann plötzlich alles ganz anders ist. 




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