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AutorenbildWolfgang Gründinger

"Aber China!" - Kann Deutschland allein die Welt retten?

Aktualisiert: 30. Juli


“Aber China”, hört man oft in der Klimadebatte. Deutschland ist nur für ca. 2% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Daher müssten China und die USA etwas tun, bevor wir uns rühren. Oft gehört? Klingt logisch? Die Wahrheit ist eine andere.


Wer immer nur auf andere blickt, der hofft, dass die anderen Länder schon genügend tun werden, um das Klima stabil zu halten. Und wenn die anderen Regierungen nicht vorankommen, ist das die beste Ausrede, selbst ebenfalls untätig zu bleiben: „Schaut her, die anderen machen noch weniger als wir! Zum Glück waren wir nicht so dumm, mit gutem Beispiel voranzugehen!“


Aber: Bei genauerem Hinsehen hat Deutschland mehr Verantwortung, als man auf den ersten Blick ahnen mag.



Deutschland auf Platz 7 von 193 Ländern


Zwar klingt der deutsche Anteil von 1,82% (im Jahr 2021) nicht nach viel. Aber nur sechs Länder stoßen mehr CO2 aus: China, die USA, Indien, Russland, Japan und Iran. Das bringt Deutschland auf Platz 7 aller 193 Länder.




Historische Emissionen: Deutschland auf Platz 3


China oder die USA tragen zwar heute viel zu den Emissionen bei. Das ist aber historisch eine Neuheit. Da die klimaschädliche Wirkung von CO2 in der Atmosphäre hunderte Jahre anhält, müssen nicht nur die aktuellen, sondern die historisch akkumulierten Emissionen betrachtet werden, um den Einfluss eines Landes zu beurteilen.


Zählt man den gesamten Ausstoß seit 1792 zusammen, landet Deutschland auf Platz 3 aller 193 Länder. Da ist zwar China seit dem Jahr 2001 vor uns - aber zugleich sind 190 andere Länder hinter uns.




Pro-Kopf Emissionen: doppelt so hoch!


Tatsächlich beträgt der Anteil Deutschlands an den globalen CO2-Emissionen nur knapp 2%. Das klingt nicht viel. Aber Deutschland beheimatet lediglich 1% der Weltbevölkerung. Wir stoßen also doppelt so viel aus, wie wir dürften, wenn man die Bevölkerungsgröße berücksichtigt. Klar hat China höhere Emissionen: Das Land beheimatet 1,3 Milliarden Menschen, Deutschland nur 83 Millionen.


Unsere Emissionen pro Kopf waren die letzten beiden Jahrhunderte immer ein Vielfaches über China. Im Jahr 2000 emittierte Deutschland pro Kopf fast 11 Tonnen, China dagegen nur 3 Tonnen - also fast viermal so viel. Erst seit 2021 sind beide Länder gleichauf.




Ausgelagerte Emissionen


Deutschland steht u.a. auch deswegen besser da als in der Vergangenheit, da wir die Produktion CO2-intensiver Güter immer stärker an andere Länder ausgelagert haben. Indem wir Rohstoffe, Materialien oder Kleidung aus der Türkei, Vietnam oder eben aus China importieren, reduzieren wir statistisch unsere Emissionen - und erhöhen die Emissionen anderer Länder.


Natürlich muss man dabei auch den Export berücksichtigen, da wir ja nicht nur Waren importieren, sondern auch wieder ausführen.


Insgesamt aber liegen wir mit den tatsächlichen, handelsbereinigten CO2-Emissionen höher als statistisch ausgewiesen - und China liegt niedriger, so Berechnungen des Global Carbon Budget.





Verantwortung abschieben? Diese bequeme Ausrede trifft uns am Ende selbst


Für sich genommen könnte jedes Land sagen: “Wir können allein die Welt nicht retten, daher brauchen wir auch nichts tun.” Der erste Satz ist dabei an sich korrekt: Alleine kann nämlich kein Land und kein Mensch die Klimakrise abwenden. Aber die Schlussfolgerung daraus ist falsch: Gerade daher muss auch jeder etwas tun.


In Europa ist Deutschland der größte Emittent. Österreich oder die Schweiz tragen jeweils nur etwa 0,1% bis 0,2% zum globalen Ausstoß bei. Daher könnten sich nun alle europäischen Länder herausreden: “Erst muss Deutschland etwas tun, bevor wir aktiv werden!”


In Deutschland ist Nordrhein-Westfalen das emissionsintensivste Bundesland. Daher könnten alle anderen Bundesländer argumentieren: "Bevor sich Nordrhein-Westfalen bewegt, tun wir nichts!”


Und so wird tatsächlich auch im Ausland gegen Deutschland gewettert: Der Fraktionsvorsitzende der rechtsradikalen italienischen Partei Fratelli d’Italia gab mit genau diesem Argument Deutschland die Schuld an der Hitzewelle: „Deutschland hat 58% mehr CO2-Emissionen pro Kopf als Italien und mehr als doppelt so viele Gesamtemissionen. Daher, wenn die Temperaturen durch CO2 bestimmt werden, ist die Hitze in Italien die Schuld Deutschlands.”


Die rechtsextreme Schweizer Zeitung “Weltwoche” schrieb: “Die Schweiz hat seit 1850 nicht einmal 0,002 Grad zur globalen Erwärmung beigetragen.” Daher müsse die Schweiz also gar nichts für den Klimaschutz tun.


Mit dieser Logik bräuchte dann auch kein Schweizer Bürger mehr Steuern zahlen, da dessen Steuern ohnehin nur 0,002% zum Steueraufkommen beitragen.


Und die Schweizer Behörden bräuchten auch keine Verkehrsschilder mehr aufstellen und könnten die Gurtpflicht aufheben, weil die Schweizer Verkehrsopfer gerade einmal 0,03% der weltweiten Verkehrstoten ausmachen. Für so wenig Ergebnis braucht man doch keine drakonischen Maßnahmen!


Die Psychologie nennt das “erlernte Hilflosigkeit”: Unser kleines Land kann doch nichts tun. Dabei können wir sehr wohl etwas tun - wir müssen nur wollen.



China tut mehr für das Klima, als wir denken


Chinas Energiemix ist heute alles andere als sauber. Aber das wird sich bald ändern: Allein 2022 hat China 86 Gigawatt an Solarenergie zugebaut - das ist in einem einzigen Jahr mehr, als Deutschland insgesamt hat. China beschleunigt diesen Ausbau derzeit noch einmal massiv und ist mit Abstand der weltweit führende Akteur für erneuerbare Energien.


Jedes vierte verkaufte Auto in China fährt elektrisch. Das Land führt den globalen Markt für E-Autos an - bei der Nutzung ebenso wie in der Industrie. Inzwischen ist China die größte Gefahr für den Autostandort Deutschland.




Und was ist mit den vielen neuen Kohlekraftwerken in China? Klar, China baut Kohlekraftwerke - aber schaltet noch mehr alte ab. Der Anteil von Kohle an der Stromproduktion ist in China seit weit über zehn Jahren rückläufig.




China setzt auf Erneuerbare - nicht auf Kohle und Atom


China setzt voll auf Erneuerbare. Kohle und Atom werden der Analysefirma S&P zufolge kaum eine Rolle spielen, wie diese Grafik zeigt:


Grafik: S&P


Gemeinsame Verantwortung


Die Vereinten Nationen fanden bereits 1992 im Vertrag von Rio de Janeiro die Lösung: das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung. Das bedeutet: Die Staatschefs erkannten damals den geschichtlich unterschiedlichen Beitrag zur Umweltzerstörung an – und damit auch ihre unterschiedliche Verantwortung, zum Umweltschutz beizutragen und bereits entstandene Umweltschäden zu begleichen.


Im Vertrag von Paris 2015 hat sich auch Deutschland erneut zu den Klimazielen völkerrechtlich verpflichtet.



Klimaschutz nützt uns


Das wichtigste Argument ist: Klimaschutz nützt uns. Wir schützen das Klima nicht um des Klimas willen, sondern um der Menschen willen. Jedes Nichthandeln ist teurer.


Erneuerbare Energien sind ein wachsender Weltmarkt, mit enormem Wertschöpfungspotenzial und zukunftsfähigen Arbeitsplätzen. Wir sollten uns diese wirtschaftliche Chance nicht entgehen lassen und an diesem gigantischen Zukunftsmarkt teilhaben.


Zugleich machen wir uns unabhängig von fossilen Energieimporten und reduzieren unsere Verwundbarkeit und Erpressbarkeit durch unfreundliche ausländische Regime.


Es spricht nichts dagegen, zu handeln. Wir müssen nur wollen.




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