100 Milliarden Euro für Energie: Macht nicht den Atom-Fehler!
- Wolfgang Gründinger
- vor 1 Tag
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Was macht man mit 100 Milliarden Euro für die Energieversorgung? Antwort: Auf jeden Fall keine Kernkraftwerke bauen.
Man bekommt nämlich nur zwei, im besten Falle fünf Kernkraftwerke für das viele Geld. Obendrein dauert der Bau noch sehr lange. Mit Ewigprojekten wie BER-Flughafen und Stuttgart 21 (ja, der wird immer noch gebaut) ist Deutschland hoffentlich inzwischen genug bedient.
In einem optimistischen Szenario kostet ein neues Kernkraftwerk so viel wie der zuletzt in Europa errichtete Reaktor im französischen Flamanville, der Ende 2024 in Betrieb ging - zwölf Jahre später und viermal teurer als geplant. Am Ende kostete der Neubau nicht 3,3 Milliarden, sondern 13,2 Milliarden Euro, wobei laut Le Monde der französische Rechnungshof die Gesamtkosten einschließlich Finanzierungskosten auf bis zu 19,1 Milliarden Euro schätzte.
Noch mehr Pech hatte Großbritannien mit dem Projekt Hinkley Point C. Nach heutigem Geldwert wird von Kosten in Höhe von umgerechnet um die 50 Milliarden Euro ausgegangen, wie die Financial Times berichtet. Allerdings besteht Hinkley Point C aus zwei Reaktorblöcken, sodass ein KKW “nur” die Hälfte, also 25 Milliarden kostet. Der Reaktor sollte nach Baubeginn 2017 ursprünglich 2025 in Betrieb gehen, nun wird die Fertigstellung frühestens für 2029 erwartet.
Die britische Regierung hat sich verpflichtet, den Strom über 35 Jahre zu einem Preis von 92,50 Pfund pro MWh abzunehmen - plus Inflationsausgleich. Das kommt den britischen Steuerzahler teuer zu stehen, denn zugleich werden Erneuerbare Energien günstiger. Der britische Rechnungshof kritisiert: „Die von der Regierung erzielte Vereinbarung für Hinkley Point C verpflichtet die Verbraucher zur Teilnahme an einem riskanten und teuren Projekt mit ungewissen strategischen und wirtschaftlichen Vorteilen."
Wirklich kostspielig soll es aber in Polen werden. Dort plant die Regierung das erste polnische Kernkraftwerk in Slajszewo, das Medienberichten zufolge bis zu 50 Milliarden Euro kosten soll. Der Spatenstich ist für 2028 angekündigt. Bis dahin ist noch viel Zeit – vielleicht wird der Plan nie verwirklicht.
Niemand will Kernkraftwerke betreiben
Kernkraft hat ein Problem: Ohne den Staat ist sie nicht zu machen. Der AKW-Betreiber Vattenfall schreibt: “In allen Ländern, in denen Kernkraftwerke gebaut werden, werden die Risiken mit dem Staat geteilt, um die ansonsten hohen finanziellen Kosten zu reduzieren.” Der französische staatliche Atomkonzern EDF steckt mit 45 Milliarden Euro tief in den Schulden, obwohl er von der Regierung hofiert wird. Die Modernisierung der maroden Atomkraftwerke soll nochmal 45 Milliarden kosten, für Rückbau und Entsorgung sind weitere 60 Milliarden veranschlagt. Der belgische Staat hat für die Laufzeitverlängerung zweier Atomkraftwerke einen Pauschalbetrag von 15 Milliarden Euro übernommen.
Atomkraft funktioniert nur da, wo der Staat als Geldgeber einspringt. Ausgerechnet die Atomlobby rückt daher von der Atomkraft ab. In Deutschland gibt es drei Atomkonzerne: E.on, RWE, und EnBW. Keiner von ihnen möchte mehr Kernkraftwerke betreiben.
„Ich bin skeptisch, dass es gelingt, Kernkraftwerke wettbewerbsfähig zu betreiben. Das ist kein Sicherheitsthema, sondern ein ökonomisches. Viele Neubauinvestitionen laufen aus dem Ruder, die Stromentstehungskosten sind dann höher als heute”, sagte der heutige RWE-Chef Markus Krebber im Jahr 2024. “Renaissance der Kernkraft? Großes Fragezeichen!”
Ein Grund, so Krebber, seien die langen Bauzeiten und hohen Kosten: “Ein Neubau dauert bis zu zehn Jahre oder mehr, Atomkraft hilft nicht bei den aktuellen Engpässen. Aktuelle Kernkraftprojekte in anderen Ländern zeigen, sie sind oft doppelt so teuer wie geplant und kosten zweistellige Milliardenbeträge.” Weiter: “Daher müsste der Staat das wirtschaftliche Risiko übernehmen, wenn er will, dass neue Anlagen gebaut werden.”
Auch damalige RWE-Chef Rolf Martin Schmitz verwarf im Jahr 2020 die Idee einer neuen AKW-Generation: „Warum soll man Milliarden Euro in eine Technologie investieren, bei der die Kilowattstunde Strom mindestens 10 Cent kostet, wenn es mit Windkraft schon für 4 Cent geht? Das leuchtet mir nicht ein.”
Es geht günstiger
RWE hat Recht: Kostengünstiger wäre es, Erneuerbare Energien und Speichertechnologien auszubauen. Das geht schnell, und katapultiert Deutschland in rasantem Tempo in ein flexibles Stromsystem.
Die Internationale Energie-Agentur (IEA) urteilte bereits 2020: In Europa sind Windkraft und große Solaranlagen inzwischen wettbewerbsfähig mit Gas und Kernkraft. Die Kosten für Atomkraft lagen demnach in Europa bei 71 US-Dollar pro Megawattstunde, für große Solaranlagen nur bei 50 US-Dollar.
Private Investoren lassen lieber die Finger von Atomkraft. Sie ist schlicht wirtschaftlich zu riskant. Atomkraft ist meistens schlichtweg ökonomisch ineffizient.
Erneuerbare Energien boomen daher weltweit – von Frankreich über Texas bis China. Deutschland darf nicht aus ideologischen Gründen der energiepolitische Geisterfahrer sein. Es gibt genug zu tun, um die Energiewende zum Erfolg zu führen: bürokratische Hemmnisse abbauen, intelligente Stromzähler in die Masse bringen, Solaranlagen und Speicher endlich besser ins System integrieren. Diese Aufgaben sollten im Fokus stehen – und keine Phantomdebatten.






