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AutorenbildWolfgang Gründinger

Nachhaltig investieren: Geht das?

Aktualisiert: 12. Feb. 2021



Der Markt ist blind dafür, ob ein Unternehmen seine Rendite mit reiner Weste oder schmutzigen Geschäfte einfährt. Als Anleger kann man sich unwohl fühlen, wenn man weiß, dass man unter Umständen an Klimakillern und Kinderarbeit mitverdient. Daher sind zahllose Möglichkeiten entstanden, sein Geld mit sozial-ökologischem Gewissen anzulegen – und muss dabei nicht einmal zwangsläufig auf Rendite verzichten, wie eine Auswertung von über 2000 Studien durch die Uni Hamburg ermittelte - sofern man es richtig angeht.


Aber so einfach ist die Sache leider nicht. Der Knackpunkt: Weil niemand verbindlich definiert, was das dehnbare Gummiwort „Nachhaltigkeit“ genau bedeuten soll, ist für Überraschungen gesorgt. Der Fondsanbieter MSCI nutzt die sogenannten ESG-Kriterien, die Standards für Umwelt (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance) messen. Dabei landet etwa der Elektroauto-Pionier Tesla auf den vorderen Plätzen (zumindest bis 2017). Beim Nachhaltigkeitsranking des Konkurrenten FTSE rangiert der Autohersteller dagegen abgeschlagen in den hinteren Reihen. „Ist Tesla oder Exxon nachhaltiger? Kommt drauf an, wen man fragt“, gibt sich selbst das Wall Street Journal verwirrt. Das Investieren nach schwammigen und unverbindlichen Kriterien ist daher ein eher schwacher Ansatz.


Und wie kann es sein, dass regelmäßig Unternehmen wie McDonald’s, Pepsi, Air France, BMW und der Ölkonzern Total in der Crème der nachhaltigsten Unternehmen der Welt auftauchen? Die Lösung für das Rätsel ist der sogenannte Best-in-Class-Ansatz: Die Indizes picken sich aus den größten börsennotierten Firmen einer Branche dasjenige Unternehmen heraus, das im Vergleich zum Rest der Branche am vorbildlichsten handelt. Da kann es schon einmal vorkommen, dass ein Ölkonzern wie Total zu den größten Positionen in einem nachhaltigen Fond gehört, weil Total im Vergleich zum Rest ihrer Branche noch als das kleinste Übel angesehen wird.


Das Konzept mag durchaus seine Berechtigung haben, denn damit belohnt der Markt zumindest die Unternehmen, die sich beispielsweise durch mehr Fairness bei Lieferketten oder besonders gute Umweltstandards hervortun. Aber als Anleger ist man dann doch erstaunt, wenn man erfährt, dass McDonald’s und Pepsi zu den nachhaltigsten Unternehmen der Welt gehören sollen, oder wenn der Anteil des Öl- und Gassektors beim „nachhaltigen“ Eurozonen-ETF des Anbieters UBS fast doppelt so hoch ist wie bei der konventionellen Version – ein Kollateralschaden aus der Best-in-Class-Logik.


Da erstaunt es auch nicht mehr, dass (breit gestreute) Nachhaltigkeitsfonds ähnlich profitabel sind wie ihre herkömmlichen Geschwister: Sie enthalten oft in etwa dieselben Unternehmen. Nur für die Umwelt oder die Menschheit gewonnen ist damit eben nichts, oder zumindest nicht viel.


Anders machen es Spezialfonds, die sich auf Unternehmen und Branchen konzentrieren, die ökologisch oder gesellschaftlich besonders wertvolle Produkte anbieten. Klingt gut, hat aber zwei Haken:  Man mag ja noch so überzeugt sein vom Klimaschutz, aber je spezieller ein Fonds ausgerichtet ist, desto höher ist das Verlustrisiko. Der ETF Global Clean Energy beispielsweise hat seit Markteinführung einen Verlust von 80 Prozent eingefahren, und auch gerade in Deutschland sind die Solar-Aktien im Keller, weil die Regierung die Energiewende blockiert. Dazu kommt: Viele Spezialfonds verlangen hohe Gebühren für das gute Gewissen. Der Nachhaltigkeitspionier Ökoworld beispielsweise kassiert bei seinem Standardfonds Ökovision Classic summierte Kosten von über 4% (plus 5% Ausgabeaufschlag) – verglichen mit 0,3% oder weniger bei ETFs wie dem MSCI World. Das macht zwar Ökoworld reich, aber nicht dich.


Da es die perfekte Lösung nicht gibt, muss man sich mit der zweitbesten begnügen. Von Finanztest empfohlen wird der MSCI World Socially Responsible Index (SRI), der Waffen, Rüstung, Atomkraft, Alkohol, Tabak, Glücksspiel und Agrar-Gentechnik vollständig ausschließt, und nur Firmen ins Portfolio nimmt, die beim ESG-Nachhaltigkeitsranking eine hohe Punktzahl erreichen. Der Fonds enthält allerdings nur knapp 400 Titel aus 23 Industrie- und Schwellenländern, streut also Risiken und Gewinnchancen deutlich weniger als der konventionelle MSCI World. Der Dow Jones Global Sustainability Screened ETF, mit über 500 der angeblich nachhaltigsten Unternehmen der Welt aus 34 Industrie- und Schwellenländern, geht ähnlich vor, ist aber teuer (0,6% Total Expense Rate im Vergleich zu nur 0,2% beim MSCI World).


Kurz: Die Nachhaltigkeit vieler angebotener Produkte ist zweifelhaft. Einige Indizes machen immerhin eine Ausschluss-Liste bestimmter Branchen. Die Geldanlage bei scheinbar nachhaltigen Fonds kann auf lange Sicht finanziell schlechter sein als bei konventionellen Vergleichsindizes (durch geringe Diversifikation und höhere Kosten) - wenn man das vermeiden will, muss man auch hier möglichst breit streuende, kostengünstige ETFs nutzen.


Meine persönliche Empfehlung: Wer möchte, kann statt dem MSCI World (oder zusätzlich zum MSCI World als Beimischung) in den MSCI World SRI investieren. Wichtiger aber ist: Spende Geld oder engagiere dich in einer Organisation oder Partei, die sich politisch für mehr Nachhaltigkeit einsetzt – wie Fridays for Future, Germanwatch oder die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Damit trägst du dazu bei, die Wirtschaft nachhaltiger zu machen, was sich unmittelbar auch auf den Finanzmarkt auswirkt. Das ist wirksamer, als deine private Geldanlage mehr oder weniger idealen Nachhaltigkeitsfonds anzuvertrauen – und nicht so teuer.



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