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AutorenbildWolfgang Gründinger

Der Club of Rome hatte doch Recht

Aktualisiert: 6. Apr.


Planet Erde

Die Welt ist immer noch nicht untergegangen. Hatte der Club of Rome das in seinem berühmten Bericht “Grenzen des Wachstums” 1972 nicht anders vorhersagt? Es ist Zeit, mit ein paar Mythen aufzuräumen.


Zugegeben, als assoziiertes Mitglied der Deutschen Gesellschaft Club of Rome mag ich voreingenommen sein. Allerdings gibt es viele vor allem rechtskonservative und rechtsradikale Medien, von Fakten ungetrübt behaupten: 


“Welterfolg mit Fehlprognosen”


“Die Vorhersagen des Club of Rome haben sich nicht bewahrheitet.”


“Keine seiner Prognosen trat ein, einige erweisen sich als grotesk falsch.”


“Wie kann es sein, dass eine Vereinigung, die immer exakt das Falsche vorausgesagt und die aberwitzigsten Rezepte empfohlen hat, dennoch einen tadellosen Ruf genießt?”


Das ist nun wirklich schlecht recherchiert. Aber der Reihe nach:


1968 gründeten der italienische Industriemanager Aurelio Peccei und der Chemiker Alexander King den Club of Rome, eine Gruppe von Unternehmern, Managern und Wissenschaftlern. Mit Finanzierung der Volkswagen-Stiftung gaben sie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine Studie in Auftrag, um die ökologischen Grenzen des Planeten zu untersuchen. 


Daraus folgte 1972 er Bericht “Die Grenzen des Wachstums” geschrieben vom damals jungen und noch recht unbekannten Wissenschaftler Dennis Meadows. Am bekanntesten ist diese düstere Schlussfolgerung:


„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit führt dies zu einem ziemlich raschen und nicht aufhaltbaren Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität.“

„Die Grenzen des Wachstums“, 1972


Das Buch wurde aber nicht nur wegen dieser Warnung bekannt. Vielmehr gab es andere Gründe für den Erfolg: Erstmals wurde ein Computerprogramm zur Berechnung von Modellen verwendet. Aus heutiger Sicht war dieses Programm grob einfach und alles andere als komplex. Für die damalige Zeit war dies aber ein absolutes Novum. Zudem kam es kurz nach Veröffentlichung zur ersten Ölkrise - und die Warnung vor den Grenzen des Planeten wirkte plötzlich hautnah.


Was sagte der Club of Rome wirklich?


Bei “Die Grenzen des Wachstums” handelte sich ausdrücklich nicht um einen Bericht des Club of Rome - auch wenn oft falsch übersetzt -, sondern um einen Bericht an den Club of Rome. Dieser kleine, feine Unterschied ist wichtig. Denn die einzelnen Berichte werden zwar von Mitgliedern des Club of Rome erstellt, repräsentieren aber nicht automatisch deren Mehrheit oder gar Konsens.


Der Bericht sagte keineswegs das Ende des Öls oder anderer Rohstoffe voraus. Die Studie enthält gar keine Prognosen (“das wird passieren”), sondern lediglich zwölf Szenarien (“unter diesen Bedingungen wird das passieren”). Für die Reichweite der Rohstoffreserven gibt die Studie eine Tabelle mit mehreren Zahlen an. Auch eine Verfünffachung der damals bekannten Rohstoffvorkommen wurde einbezogen. Kritiker fischen sich dabei häufig nur eine Zahl herausfischen und als vermeintliche Fehlprognose brandmarken. Selbst bei deutlich höheren Rohstoffreserven bleibt die grundlegende, an sich banale Feststellung, dass die Reserven begrenzt sind, bestehen.


Die Schlussfolgerung sagt daher eben nicht, dass die Rohstoffe im Jahr x versiegen würden. Sondern: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ Das ist etwas völlig anderes!


Dass der Club of Rome sich irrte, kann daher sowieso gar nicht feststehen: Hundert Jahre ist, von 1972 aus gerechnet, erst im Jahre 2072. Heute ist also Halbzeit. Bis dahin kann noch viel passieren. Wer behauptet, der Club of Rome habe sich geirrt, kann das gar nicht wissen - er kann schließlich nicht in die Zukunft sehen.


Die Autoren haben auch nicht einfach die Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben, wie oft falsch behauptet wird. Ein Beispiel: Damals betrug das Wachstum der Weltbevölkerung zwei Prozent. Demnach hätte sich die Weltbevölkerung alle 35 Jahre verdoppelt (was sogar nahezu stimmt: von 3,7 Mrd. in 1972 auf 6,56 Mrd. in 2005). Das hat der Bericht aber eben nicht vorhergesagt. Vielmehr verknüpfte er mehrere Variablen, sodass bei steigender Wirtschaftsleistung die Geburtenrate sinkt und dieser Trend entschärft wird.


Der Bericht stellte auch keineswegs den Kollaps als unausweichlich dar, und ebenso wenig war er technologiefeindlich. Man kann das gern nachlesen:


“In jedem Fall ist unsere Lage sehr bedrohlich, aber nicht ohne Hoffnung. Unser Bericht … trägt Gedanken für neue Einstellungen bei, die einen stabilen Gleichgewichtszustand zur Folge haben könnten.”


“Wir wollen die Technologie weder als unnütz brandmarken noch verteufeln. Wir sind selbst Technologen und arbeiten in einem technologischen Forschungsinstitut.”


Das wird die Verfechter der Atomkraft freuen: Der Bericht setzte noch große Hoffnungen in die Atomkraft (diese Einschätzung erwies sich aber tatsächlich bislang als falsch):


“Wenn der Gebrauch natürlicher Brennstoffe eines Tages durch die Freisetzung von genügend Kernenergie ersetzt werden sollte, hört auch die Freisetzung von Kohlendioxid auf, vielleicht, wie man hofft, ehe es messbare ökologische und klimatologische Wirkungen hinterlassen hat”


Hatte der Club of Rome doch Recht?


Die Vorhersagekraft von sehr einfachen Modellen in den 1970er Jahren war nicht stark, zumal über einen sehr langen Zeitraum von 100 Jahren mit zahlreichen Technologiesprüngen und anderen massiven Unwägbarkeiten.


Dennoch zeigen Daten: Bisher stimmen manche Szenarien mit der Wirklichkeit erstaunlich gut überein.


2008 wies der australische Physiker Graham M. Turner von der University of Melbourne in der Fachzeitschrift Global Environmental Change darauf hin, dass die historischen Daten erstaunlich nah mit dem Standardszenario aus dem Bericht 1972 korrelieren. 2021 stellte auch die niederländische Wirtschaftsstatistikerin Gaya Herrington stellte in der Fachzeitschrift Journal of Industrial Ecology fest, dass die empirischen Daten mit dem Standardszenario aus dem Bericht 1970 stark übereinstimmen.


Der Klimawandel hat sich seit 1972 sogar jenseits aller für möglich gehaltenen Szenarien verschärft. 1981 warnte eine Forschungsgruppe um James Hansen von der NASA bereits vor der Erderhitzung. Heute wissen wir im Rückblick, dass die Wirklichkeit sogar den worst case übertrifft. Schlimmstenfalls hielt man 0,7 Grad Erhitzung für möglich. Tatsächlich wurden es 1,1 Grad:



Klimaszenario von 1981 und reale Entwicklung

Grafik: Hansen 1981, ergänzt von MOMENT


Ein internationales Forschungsteam analysierte in der Fachzeitschrift Science Advances die Belastung der Umwelt. Das Ergebnis: In mehreren Bereichen sind die globalen Belastungsgrenzen fast erreicht oder bereits überschritten.


Der Club of Rome behielt doch mehr Recht, als wir uns wünschen.


Ökologische Belastungsgrenzen




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