Aus dem Auto ist heute ein Computer auf Rädern geworden. Ständig und in Echtzeit überwacht es Route, Fahrspur, Glätte, Außen- und Innentemperatur, Ölstand, Reifendruck, Geschwindigkeit, Bremswege, Einsatz von Gas, Bremse, Schaltung – und noch etliches mehr. Ein modernes Serienfahrzeug produziert rund 25 Gigabyte an Daten pro Stunde – da kommt zwischen zwei Inspektionen schon mal ein Terabyte zusammen. Auch wenn davon längst nicht alles gesendet oder gespeichert wird: Das Auto ist zum Big-Data-Lieferanten geworden.
Klar, dass alle möglichen Unternehmen auf diese Daten zugreifen wollen. Daten sind schließlich der Treibstoff digitaler Geschäftsmodelle. Kaum verwunderlich also, dass Autohersteller, Zulieferer, Softwareanbieter und Verbraucherschützer sich streiten, wem die Daten gehören: Dem Autohersteller, weil er für die Sicherheit und Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs am Ende verantwortlich ist? Dem Zulieferer der jeweiligen Komponenten, wie zum Beispiel Reifen, weil er ja für ebendiese Komponenten geradestehen muss? Dem Softwareanbieter, weil nur er Datenschutz und IT-Sicherheit gewährleisten kann? Dem Halter, dem das Auto gehört? Oder dem jeweiligen Fahrer, also wechselnden Personen? Und was ist mit den Beifahrern: Haben die auch ein Eigentum an den Daten? In Brüssel und Berlin treibt Politiker genau diese Frage um: Die Kanzlerin rätselte darüber, die EU-Kommission verfasst fleißig Mitteilungen und Alexander Dobrindt, bis vor kurzem noch Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, legte ein Strategiepapier vor, das „Daten im Ergebnis mit Sachen gleichstellen“ soll.
Nicht überall stoßen die Pläne auf offene Ohren. Der Verein Wikimedia Deutschland, der unter anderem die Wikipedia betreibt, warnte vor „kaum absehbaren Folgen“ und merkte süffisant an, ob Dobrindt überhaupt verstanden habe, wovon er rede.
Bisher sagt unser Recht eindeutig: Daten gehören niemandem; oder, juristisch formuliert: Daten sind nicht eigentumsfähig, und zwar weder in Deutschland noch in unseren Nachbarländern. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem wegweisenden Volkszählungsurteil 1983 die Idee eines Dateneigentums verworfen und stattdessen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung formuliert. Der oft gehörte Satz „Meine Daten gehören mir!“ ist also nicht streng juristisch gemeint, sondern beschreibt die Hoheit der Bürger über die Verwertung ihrer persönlichen Daten – es geht um Nutzung, nicht um Eigentum.
Diese Unterscheidung mag sich kleinkariert anhören, hat aber gewaltige Folgen. Denn: Ein neues „Dateneigentum“ zu schaffen, würde unsere gesamte Rechtsordnung komplett auf den Kopf stellen. Schließlich sind Daten bereits heute alles andere als unreguliert. Die EU-Datenschutzgrundverordnung, die ab Mai 2018 anwendbar wird und drastische Strafen für Verstöße vorsieht, ist nur das augenfälligste Beispiel. Eine Vielzahl weiterer Gesetze kommt hinzu, vor allem zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Die Nutzung von Daten ist also bereits längst wirksam und differenziert geregelt. Ein neues „Dateneigentum“ würde weder Wirtschaft noch Nutzern helfen, sondern das Datenrecht noch komplizierter machen – ohne jeden Sinn und Zweck.
Vielleicht würde es helfen, die Gesetze einmal zu lesen, die wir bereits haben. Dann würde man lernen: Unternehmen und Behörden sollen auf die Daten im Auto zugreifen dürfen – sofern der Nutzer zustimmt. Denn der einzelne Bürger hat die Hoheit über seine Daten. Aber „gehören“ tun die Daten niemandem. Und das kann auch so bleiben.
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