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AutorenbildWolfgang Gründinger

Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos: Die langweiligste Verschwörungstheorie

Aktualisiert: 6. Feb.


World Economic Forum Logo mit Schnee

Angeblich regiert das World Economic Forum (WEF) in Davos die Welt. WEF-Gründer Klaus Schwab hat demnach seine “Jünger” fest im Griff und plant die Weltherrschaft. Nun war ich da. Und habe keine Weltverschwörung entdeckt.


Die Erzählung geht ungefähr so: Einmal im Jahr trifft sich die globale Elite im Schweizer Bergdorf Davos zum Weltwirtschaftsforum (WEF) und heckt dort im Geheimen einen Plan aus, um eine weltweite Diktatur zu errichten. Ziel soll dann sein, die Welt unter den Reichen und Mächtigen aufzuteilen, die Menschheit mit Pandemien gefügig zu machen, die kommunistische Umverteilung unter dem Vorwand einer erfundenen Klimakrise einzuführen, oder den “Großen Austausch” zu organisieren (eine wirre rechtsextreme Verschwörungserzählung, die behauptet, die Vereinten Nationen und das WEF wollten Weiße und Christen durch nichtweiße Muslime ersetzen).


Nun war ich selbst zum ersten Mal in Davos dabei. Ich bin weder Multimillionär noch globale Elite, aber das sind dort die wenigsten Teilnehmenden. Neben den etwa 3.000 offiziellen Gästen kann prinzipiell jeder nach Davos fahren und an den meisten der Events teilnehmen. Nur für das Konferenzzentrum benötigt man eine Einladung; für alle hunderte Veranstaltungen, die im Kontext des Forums stattfinden, reicht aber auch ein sogenannter “Hotel Badge”, den man sich mit etwas Grips leicht ohne viel Geld oder besondere Voraussetzungen besorgen kann. Und so wurde das Bergdorf zum Speed-Dating für Wissenschaftler, Startup-Gründer, oder Studierende auf Jobsuche. 


Ich traf beispielsweise einen Professor, der die Zahl der Bäume weltweit errechnet hat und an naturbasierten Lösungen für die Klimakrise forscht; einen Studenten, der kam, um OpenAI-Gründer Sam Altman zu sehen - und ein Selfie mit ihm machte; einen bekannten Klimawissenschaftler. Ich besuchte Diskussionsrunden mit dem US-Klimapolitiker und Ex-US-Vizepräsident Al Gore und der Schimpansenforscherin Jane Goodall. Im Ukraine-Haus sah ich mir die Ausstellung über von Russland verschleppte Kinder an, später sprach ich mit dem Vizechef der ukrainischen Präsidialverwaltung über die Spende von Solarmodulen an die ukrainische Frontstadt Cherson. Mit einem israelischen Unternehmer sprach ich über das Schicksal der Geiseln, von deren Familien einige ebenfalls in Davos waren, um der versammelten Weltöffentlichkeit von deren Geschichte zu erzählen.


Davos ist mehr wie eine große Messe mit angeschlossener Konferenz. Für die Planung einer Weltverschwörung wäre da nicht einmal die Zeit. Zumal es dafür zumindest ein paar mehr Regierungen bräuchte - im Jahr 2024 war die Mehrheit der Regierungschefs der größten Industrienationen gar nicht zu Gast. Schöne Weltherrschaft…


Begleitet wird Davos von hunderten Journalisten. Eine geheime Weltverschwörung, die es nicht einmal schafft, geheim zu bleiben, ist nicht gerade zum Erfolg verdammt.


Es gibt nicht einmal viel Polizeipräsenz. Einzig ein kleines Wachtürmchen mit zwei verlorenen Polizisten sichert das Konferenzgelände. Jeder, der in Berlin-Kreuzberg lebt (wie ich das jahrelang tat), sieht täglich mehr Polizei. Der einzige Moment, wo ich endlich mal eine Hundertschaft mit Maschinenpistolen sichtete, war der Besuch von Präsident Selenskyj im Ukraine-Haus. Ansonsten hoffe ich, dass die Konferenz mehr gesichert ist als nur durch die Handvoll von Polizisten, die gelegentlich die Straße auf und ab spazieren. 


Wolfgang in Davos vor einem Polizei-Wachturm
Dieses kleine weiße Häuschen im Hintergrund ist fast die einzige Sicherung der Konferenz.


Manche kritisieren: Dort fliegen die Superreichen mit ihren Privatjets ein!!! Das mag sein. Aber ich bin weder superreich, noch habe ich einen Privatjet, und war trotzdem dort. Ich kenne auch niemanden, der mit dem Privatjet anreiste. Viele kommen mit dem geliehenen Wohnwagen, um sich die teuren Hotelkosten zu sparen. Nur eine sehr kleine Minderheit der Teilnehmenden ist so wohlhabend, dass sie mit einer Privatmaschine anreist. Zehntausende kommen mit dem Auto, dem Zug, oder dem Linienflug in der Economy-Class - und ernähren sich tagsüber von Pizzaschnitten aus dem Supermarkt (ich bin der Beweis). 


Michael Butter, der an der Universität Tübingen zu Verschwörungserzählungen forscht, stellt fest: In den USA und Kanada hält sich der Glaube, das WEF wolle den Sozialismus oder Kommunismus einführen. In Europa herrscht dagegen der Mythos vor, das WEF wolle den Neoliberalismus steigern, den Großkonzernen mehr Macht geben und die Demokratie abschaffen. Die Kritik trage dabei auch antisemitische Züge:  “Es gibt das immer in einer ganz explizit antisemitischen Variante. Dann gibt es eine Variante, wo wir das finden würden, was man sekundären Antisemitismus nennt, der sich an gewissen Codes und Chiffren festmacht. Wo man dann von der ‚Ostküstenelite‘ spricht, einer wohlhabenden, liberalen Elite Amerikas.” 


Sogar Annalena Baerbock ist angeblich an der WEF-Verschwörung beteiligt! Zum Beweis: Sie ist Mitglied im Kreis der “Young Global Leaders” des WEF. Ob Baerbock nun die neoliberale Diktatur oder die kommunistische Diktatur einführen will?


Eine neoliberal-kommunistische Verschwörung mit Annalena Baerbock und Jane Goodall (jeder Diktator braucht auf jeden Fall eine Schimpansenforscherin!!) unter den Augen der Presse? Wie kommt man auf so eine wirre Idee?


Die Verschwörungsideologie um das Weltwirtschaftsforum in Davos ist die dümmste und langweiligste Verschwörungsgeschichte, die ich je gehört habe.





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